Sonntag, 14.04.19 - Von Ramkot in den Chitwan-Nationalpark

An diesem Sonntag erwache ich wieder früh durch die schon bekannte Glocke. Die kontemplative Zeit der letzten Tage habe ich unter anderem mit dem Buch von Tim Jackson: „Wohlstand ohne Wachstum. Grundlagen für eine zukunftsfähige Wirtschaft“ verbracht. Mein Gedankenkarussell ist dadurch mächtig in Fahrt geraten…

Gegen 7:30 Uhr, nach dem Frühstück (es gibt Kohlgemüse mit Fladenbrot) holt mich ein Fahrer ab und vor uns liegen 5-6 Stunden Fahrt in den Süden. Das Ziel ist ein Hotel am Rande des Chitwan-Nationalparks. 

Ein großer Teil der Strecke ist mir schon bekannt, da wir die Straße bereits benutzt haben, auf dem Weg nach Pokara zum Bergwandern. Allein das ändert nichts an dem ungewohnten Bild und den immer wieder fremd erscheinenden Eindrücken: die zum Teil mehr als schlechte Straße und die zum Teil erbärmlichen Behausungen rechts und links davon. Immer wieder durchfahren wir einzelnen Ortschaften in denen das Leben pulsiert und die Menschen ihren Geschäften nachgehen. Das ist hier vor allem die Versorgung der vorbeifahrenden Fahrzeuge. Wir befinden uns schließlich auf der Hauptversorgungsader für die Millionenmetropole Kathmandu. Fast alles, was diese Stadt zum Leben braucht, kommt über diese einspurige Straße. Hinzu kommt, dass es stetig bergab geht. Kathmandu befindet sich auf etwa 1400 m über dem Meeresspiegel, Chitwan auf unter 200m. Dieser Höhenunterschied muss erstmal von den alten indischen Tata-LKW mit viel freigesetztem Dieselruß überwunden werden. Hin und wieder fahren wir an einem liegengebliebenem LKW vorbei. Manchmal ist es nur ein Plattfuß - was angesichts der Straßenverhältnisse nicht wirklich verwunderlich ist, manchmal scheint aber auch der Motor zu streiken. Bei Plattfüßen werden die LKW auf abenteuerliche Weise auf Steinen hochgebockt. Einmal beobachte ich Menschen, die unter einem derart hochgebockten Fahrzeug am Fahrzeug hantieren - ich fürchte um ihre Gesundheit...

Nach etwa drei Stunden stoppt unsere Fahrt unvermittelt. Der Grund ist zunächst nicht erkennbar. Diese Gelegenheit wird von Bewohnern des vor uns liegenden Dorfes genutzt um der Länge nach aufgeschnittene Gurken zu verkaufen. Dazu tragen sie die Gurken in einer Schüssel auf dem Kopf und gehen eifrig von Fahrzeug zu Fahrzeug. Was in der Heimat eine willkommene Erfrischung wäre, muss ich hier leider ablehnen. Für verwöhnte west-europäische Mägen wie meinen gilt das eiserne Prinzip: „Cook it, peel it oder forget it!“ Daran habe ich mich bis jetzt gehalten - bisher mit Erfolg! Die Verzögerung stellt sich als Schwertransporter heraus. Auf riesigen Sattelschleppern werden irgendwelche gebrauchten Anlagenteile transportiert, die links und rechts mindestens einen Meter über den Fahrtzeugrand ragen. Was zu Hause einen nächtlichen Transport mit Begleitfahrzeugen bedingen würde, geht hier mitten am Sonntag. Es läuft eben jemand voraus...

Irgendwann geht es schließlich weiter, es wird immer wärmer, je tiefer wir gen Süden kommen und schließlich sind die Berge verschwunden und flaches Land liegt vor uns! Eine Stunde später erreichen wir das Hotel, direkt am Rande des Nationalparks: Ich bin schwer beeindruckt! Eine luxuriöse Anlage mit zweistöckigen Häusern, schöner, üppiger Bepflanzung, Pool und was ich als echtes Geschenk empfinde: Es ist ruhig, sauber und friedlich und es zwitschert und ziept in einer Fülle, dass ich aus dem Stauen kaum rauskomme...

Für mich gibt es nach der Ankunft erstmal Lunch und anschließend eine „Stadttour“ in einem offenen Minibus - sie nennen es „full air condition“, was angesichts der Schwüle und Hitze hier durchaus ein Geschenk ist, durch das angrenzende Dörfchen zur „riverside“, der Bootsablegestelle (dazu später mehr), wo wir bei einem Bier, welches ich von einem freundlichen chinesischen Familienvater, der hier mit seiner philippinischen Frau und seinen vier fast erwachsenen Kindern Urlaub macht, als deutscher Bierexperte (hahaha) spendiert bekomme. Ich versuche ihm zu erklären, dass ich lieber Wein trinke, und Bier bei mir im Keller schlecht wird, aber das überzeugt ihn nicht im mindesten, er füllt mein Glas immer wieder auf. Leicht angetrunken lässt sich die Sonne schließlich unerwartet kurz vor dem Untergang tatsächlich doch noch blicken und wir genießen ihren Tagesabschied über den nahen Wipfeln des Dschungels von Chitwan.

In der Dämmerung fahren wir zurück, ich nehme das Abendessen ein und ziehe mich hoffnungsvoll in mein Appartement zurück, lausche durch das Moskitonetz bei offenem Fenster den Geräuschen der hereinbrechenden Nacht und beobachte die flatterhaften Flüge der Fledermäuse. Der morgige Tag verspricht spannend zu werden...

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