Freitag, 12.04.19 - Kloster Balambu bei Ramkot

Ich schlafe aus, soweit das mit den Raben und den Geräuschen dieser Stadt möglich ist, nehme ein Frühstück auf der Terrasse des Hotels ein, und bereite mich auf meine Abreise vor. Um 10.00 Uhr geht es los in Richtung Balambu. Nach einer knappen Stunde erreicht das Fahrzeug einen Hügel oberhalb des Kathmandutals. Hier wurde zu Beginn des Jahrhunderts von einem buddhistischen Orden und durch die Planung eines deutschen Architekten eine Klosteranlage mit Tempel, Schul- und Wohngebäuden errichtet. Dementsprechend neu und wenig Nepal-typisch wirkt die Anlage. Es ist erstaunlich sauber und organisiert hier. Knapp 80 Kindermönche von geschätzten 5 bis 18 Jahren wohnen hier und gehen hier in die Schule. Sie werden von einer kleinen Gruppe erwachsener Mönche beschult. Gesucht werden immer Lehrer, die im Rahmen eines Freiwilligendienstes den Englischunterricht übernehmen. Außerdem hat das Kloster einige zivile Angestellte, die sich um die Küche und die Anlage kümmern und auch die Gartenterrassen mit dem Anbau von Kartoffeln, Kräutern und Gemüsen bestellen.

Ich werde herzlich von einem Mönch begrüßt und bekomme ein Einführung in den Tagesablauf. Ich wohne im Gästetrakt in einem schlichten aber sauberen Zimmer mit einer Dusche und einem Klo - welch unerwarteter Luxus!

Gegen 11.30 Uhr ertönt eine Glocke und lässt alle in den Essenssaal strömen. Jeder bringt seine eigene Schüssel und seinen eigenen Teller mit. Es gibt Reis mit einem Gemüsemix. Es schmeckt hervorragend. Es ist eine angenehm freundliche Atmosphäre, ich werde bestaunt, man lächelt mir zu und es ist erstaunlich ruhig hier, obwohl doch knapp 80 Kinder und Jugendliche hier zusammen sind. Kein Geschrei, kein Streit, keine Unsitten  - ich bin erstaunt! Anschließend reinigen alle ihr Geschirr an einem der Wasserhähne, die an der rückwärtigen Wand oberhalb eines silbernen Trogs angebracht sind. Die Kinder ziehen sich zur Mittagspause in ihre Zimmer zurück und es wird fast gespenstig ruhig auf dem Gelände - kein fremdes Stimmengemurmel mehr...

Ich nutze die Ruhe und mache mich mit dem Gelände vertraut, schlendere zur Tempelanlage oberhalb der Schule, finde einen schönen Tempel und einige Gebetsmühlen vor, alles in der üblichen Weise bunt bemalt und mit Bildern und Geschichten aus dem hinduistischen Glaube verziert.

Um 13.30 Uhr ertönt die Glocke erneut und ruft die Kinder zur Schule zurück.

Den Rest des Tages verbringe ich meist sitzend im Pausenhof der Schule, um den im Halbkreis 6 Klassenzimmer, die Verwaltung und die Bibliothek angeordnet sind. Die älteren Schüler ziehen sich zum Studium oder Unterricht in Gruppen in die Klassenzimmer zurück, während ein großer Teil der jüngeren Schüler in unterschiedlichster Formation auf Sitzkissen im Schatten der Gebäude im Pausenhof Platz nimmt. Zuerst kann ich beobachten, wie die jungen Mönche in einem Schreibheft vorgedruckte Zeichen (ich bin nicht sicher, ob es sich um Buchstaben oder ganze Wörter handelt) nachzeichnen. Sie ähneln den mir bekannten Schreiblernheften aus dem 1. Schuljahr. Die Disziplin ist unfassbar. Zwar ist immer wieder leises Gemurmel zu hören, aber die Kids verbringen geschlagene eineinhalb Stunden sitzend und schreibend auf ihrem Kissen. Die kleinen bekommen offensichtlich für ihre guten Schreibleistungen kleine Tiersticker, denn ich kann beobachten, wie sie sich gegenseitig die Bildchen zeigen. Um 15.00 Uhr erklingt eine Glocke und es gibt vor dem Essenssal eine Etage tiefer gesüßten Tee aus großen Thermo-Alukannen. Gegen 15.30 Uhr geht es im Pausenhof auf den Sitzkissen weiter. Nur die Formation hat sich geändert. Jetzt hat jeder eine Kopie einer Seite aus einem Gebetsbuch in einer Plastikhülle vor sich auf dem Ranzen liegen. Der Schulanzen ist übrigens einheitlich und ebenfalls in rot gehalten. Was jetzt kommt macht mich sprachlos. Wieder eineinhalb Stunden rezitieren die Kinder mal für sich, mal in Gruppen mehr oder weniger laut immer die gleichen Verse, selbständig und ohne dass ich einen Dirigenten ausmachen kann. Es ist ein angenehmer Singsang. Gegen Ende beobachte ich einen Lehrer, der einzelne Kinder zu sich winkt und die Verse rezitieren lässt.

Um 17.00 Uhr kommt das statische Bild plötzlich in Bewegung. Die Kinder räumen ihre Kissen in die Klassenzimmer, die Ranzen verschwinden, es taucht ein Schaumstoffball und einige Badmintonschläger auf. Auf dem kleinen Pausenhof wuselt und wimmelt es jetzt. Es gibt eine große Ebene, einen erhöht liegen Gang vor den Klassenzimmern, der von Säulen und zwei Ebenen vom eigentlichen Hof abgegrenzt ist. Alles ist mit Steinfliesen belegt. Einige spielen Fangen, andere Badminton oder Fußball, manche schauen zu... Ich werde mehrmals zum Badmintonspielen aufgefordert und schlage mich ansehnlich, jedenfalls ist man erpicht, sich mit mir zu messen. Auch einige Lehrer spielen mit.

Für einen deutschen Sportlehrer ist dieses Bild eine irrwitzige Szene: Stellt euch unsere Grundschüler mal in wallenden Gewändern und Badeschlappen vor - das würde nicht lange gutgehen und wir hätten den ersten Verletzten....

Hier passiert nichts! Einfach unglaublich!

Gut gelaunt und gut bewegt gehen wir alle um 19.00 Uhr zum Abendessen. Es gibt wieder Gemüse mit Reis. Anschließend ziehe ich mich auf mein Zimmer zurück - die Kids tun das gleiche, außerdem ist es hier schon dunkel. Ich schreibe noch ein paar Zeilen und mache früh an diesem Abend das Licht aus...

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