Mittwoch, 10.04.19 - Von Paro nach Kathmandu, Weltenwechsel

(Jetzt vervollständigt!)

Dieser Tag bleibt für mich als Tag des Weltenwechsels in Erinnerung: Bhutan, das mit seinem beschaulichen Flughafen, seiner Sauberkeit und Ordnung, seiner disziplinierten Verwaltung, seiner Ruhe und Ausgeglichenheit für mich ein angenehmes Reiseland darstellt, widerspricht gänzlich meinem Eindruck von Nepal... Aber der Reihe nach!

Nach einem gemütlichen, entspannten Frühstück fahren wir um 8.30 Uhr zum wenige Minuten entfernt liegenden einzigen Flughafen des Landes in Paro. Wir verabschieden uns am Flughafen herzlich von Nima, unserem Guide und Gyem Dorji, unserem Fahrer und genießen in diesem angenehmen Flughafen jeden Schritt. Er zeigt den Abreisenden durch seine kunstvollen Verzierungen noch einmal die ganze Fülle der Farben des Landes und atmet gleichzeitig in seinem Habitus den Anspruch der Regierung von Bhutan: es geht sehr freundlich und höflich zu. Es ist sauber und ruhig, keinerlei Hektik kommt hier auf. Das Gebäude ist von natürlichem Licht durchflutet. Die Angestellten sind akkurat in Kira oder Go gekleidet. Manche tragen neben dem Dienstausweis einen Button mit dem Konterfei des Königs am Revers. Die Toiletten sind blitzsauber. Neben Seife gibt es hier sogar Frotteehandtücher wie zu Hause, einfach unglaublich!

Die Passkontrolle ist freundlich, der Sicherheitscheck ruhig, freundlich und angemesssen. Ich werde höflich gefragt, ob ich eine Trinkflasche im Gepäck habe - die hatte ich tatsächlich vergessen, trinke sie leer und bekomme ein Lächeln geschenkt.

Wir warten vor dem Gate, welches uns beim Check-In genannt wurde. Anzeigentafeln gibt es her nämlich keine. Zur Boardingzeit erscheinen einige Kontrolleure, kontrollieren nochmal den Boardingpass und wir betreten zu Fuß das Flugfeld. Wenige Meter vor uns steht die A319 mit dem Drachen auf dem Heckleitwerk... Wir nehmen in der Reihe der Notausgänge im mittleren Teil des Flugzeugs auf der gewünschten rechten Seite Platz und haben daher viel Beinfreiheit und später den Blick auf die Berge des Himalaya!

Sobald alle Passagiere an Bord sind geht es sogar 5 Minuten vor der geplanten Abflugzeit los, einfach unglaublich ...

Mit enormen Schubkräften donnert die Maschine über die Startbahn, um bereits kurz nach dem Start in 11 teilweise extrem anmutenden Kurven ihren Weg durch die Täler in den Himmel zu finden. Der Internationale Flughafen von Paro zählt deshalb zu den drei schwierigsten der Welt! Wir genießen jede Sekunde dieses Fluges, haben wir doch bei fast klarem Himmel einen faszinierenden Blick auf die weißen Riesen. Einer ist schöner als der andere. Leider hilft uns auch die Panoramaskizze in der Bordbroschüre nicht wirklich weiter, um die Achttausender zu identifizieren. Zum Glück benennt ein Reiseführer einer vor uns sitzenden Reisegruppe alle wichtigen.

Zum Mittagessen serviert die Bordcrew in hübschen Pappschachteln gefüllte kleine Brötchen ohne Verpackung(!), kleine Getränke und mit einer Art Frischkäse bestrichene Toasts. Diese wurden liebevoll per Hand geschmiert und in Plastikfolie eingewickelt und schmecken hervorragend!

Viel zu schnell ist der Flug vorbei und die Maschine geht in den Sinkflug über. Wir landen sicher, wenngleich sehr holprig auf der renovierungsbedürftigen Landebahn in Kathmandu.

(Neu:)

Nach dem Ausstieg fallen uns die Gegensätze sofort ins Auge: Es ist laut und staubig, die Flughafenhalle ist überfüllt mit Menschen, am Flughafengebäude wird hier und da gearbeitet, zur Abfertigung müssen wir erstmals ein Immigrationpapier ausfüllen, dass der Beamte anschließend wortlos entgegennimmt und auf den Boden wirft. Der Scan unserer Ausweise funktioniert erst beim 17. Mal. In der Gepäckabholung liegen an mehreren Stellen haufenweise Koffer. Wir gehen nach (!) dem Flug durch eine Personenkontrolle mit Körperscanner. Dass der bei fast jeder Person ein Signal abgibt und rot aufleuchtet interessiert hier niemanden. Die Toiletten, die ich aufsuche, stinken so furchtbar, dass mir das Atmen schwer fällt. Kathmandu ist anders!

Tika und Maurice, ein lustiger, ständig lachender junger Nepali - ich nenne ihn liebevoll „KingCarDriver“ - er fährt einen riesigen Pickup, erwarten uns am Ausgang und bringen uns durch die staubige, verstopfte Stadt zum Hotel im Touristenviertel Thamel.

Dort erholen wir uns ein wenig im Hotel und ich mache mich auf zum Barbier um die Ecke, um das Gestrüpp in meinem Gesicht loszuwerden. Auch das ist eine spannende Erfahrung. Nachdem ich in dem kaum 8 Qaudratmeter großen Raum auf einem der beiden Stühle platzgenommen habe, wird der Bart minutenlang mit diversen Cremes und Pasten eingeweicht. Dann erst trägt der Barbier wiederum minutenlang den Rasierschaum auf um anschließend mit dem Rasiermesser achtsam das Gestrüpp zu entfernen. Diese Prozedur wiederholt sich ein zweites mal. Ich kann gerade noch die Augen schließen als er aus einer Sprühflasche eine undefinierbare Flüssigkeit auf mein Gesicht sprüht, um anschließend gemeinsam mit einer alkoholischen Flüssigkeit, die er auf seine Hände gießt alles in meinem Gesicht einzureiben. Es brennt unangenehm. Schließlich wird das Handtuch, welches er mir zu Beginn der Prozedur umgehängt hat zum Aufnehmer der brennenden Substanz und das Ganze hat ein Ende. Für nicht mal 2,- € verlasse ich mit einem Gesicht, glatt wie ein Babypopo den Salon.

Zurück im Hotel machen wir uns gemeinsam auf zum Bishnumati River, einem der vielen Flüsse, die durch das Kathmandu-Tal und damit durch die Stadt fließen. Wir gehen durch schmale Gassen, die in der Heimat entweder Fußgängerzone wären oder mindestens einer Einbahnstraßenregelung unterworfen wären. Aber das gibt es hier nicht, ebensowenig wie Verkehrsschilder, Straßennamen oder andere erkennbare Regelungen. Alle Arten von Fahrzeugen - kleine und große Autos, Fahrräder, Rikschas, viele Motorräder, Lkw und Busse drängen aneinander vorbei durch die Gassen. Dazwischen viele Menschen, Hunde und gelegentlich verirrt sich auch eine Kuh in das Gewühl...

Die meist kleinen Geschäfte, wie Lebensmittelläden, Stoffläden, Trekkingläden, Nähereien, Werkstätten haben ihre Rollos hochgezogen und präsentieren ihr Auslage meist auch auf der Straße. Alles, vom Obst bis zu den Stoffen und neuen Kleidern ist von einer Staubschicht überzogen. Mit Staubwedeln versuchen die Besitzer diesem Dilemma zu begegnen. Reparaturen an Motorrädern finden auch auf der Straße Stadt, dann ist der Boden ölgetränkt...

Ich habe bereits nach wenigen Minuten den Eindruck, dass mir das Atmen schwer fällt und erwerbe in einer Art Apotheke zwei Mundschutze, wie man sie aus dem Krankenhaus kennt. Damit laufen hier viele Menschen umher. Hier in Kathmandu hat die Feinstaubdiskussion eine andere, gigantische Dimension und mir wird klar, warum Staub und Abgase jedes Jahr Tausende von Menschen tötet.

Wir erreichen den Fluss und sind geschockt. Dies ist ein Ort, der kaum zu beschreiben ist, hier will ich nicht sein, dieses Bild will ich nicht sehen, aber es brennt sich in meinen Kopf ein und ich werde es wohl nie wieder vergessen: Es wirkt auf mich als bahne sich nach einer Naturkatastrophe eine grau-braune entsetzlich stinkende ekelerregende Brühe durch eine Mülldeponie ihren Weg... Zu allem Überfluss wohnen am Flussufer noch Menschen in erbärmlichen Hütten und Kinder spielen davor... Mir fehlen die Worte - Wut, Trauer und Verzweiflung legen sich auf mein Gemüt.

Wir sind sprachlos und treten alsbald kopfschüttelnd den Rückweg an.

Es ist ein irrwitziges Bild, dass diese Stadt in meinem Kopf hinterlässt. 

Wir fragen uns: Warum lebt diese Stadt mit diesem Zustand? Warum erkennen wir keine Verwaltungsstrukturen? Nicht mal den Ansatz, dass Bemühen um Veränderung?

Wir flüchten in das International Guest House, ein hübsches Hotel mit einem sympathischen Aufenthaltsbereich und Kaffee und diskutieren bei einer Tasse Kaffee über Würde und Menschlichkeit und die soeben erlebten Bilder.

Gegen Abend, zurück im Hotel, genießen wir in der Hotelbar das grandios leckere und sehr üppige Abschiedsessen. Schließlich fliegt Lea morgen wieder zurück in die Heimat und ich ziehe weiter...  Wir lassen nochmal die vergangenen Tage Revue passieren und schwelgen in Erinnerungen. Wir stellen uns auch die Fragen: Was nehmen wir mit? Was würden wir gerne hier lassen?



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