Freitag, 05.05.19 - auf ins Land des Donnerdrachens

Nach einer viel zu kurzen Nacht - wie saßen bis kurz nach Mitternacht noch mit Mirjam in der Bar auf der Dachterrasse unseres Hotels - klingelt bereits um 5.45 Uhr der Wecker. Die Sachen haben Lea und ich schon am Vorabend gepackt. Um 6.00 Uhr gibt es Frühstück und gegen 7.00 Uhr sitzen wir wieder im Auto auf dem Weg zum Flughafen Kathmandu. Um 10.15 Uhr soll unser Flugzeug nach Paro starten. Die ungewöhnlichen Flughafenprozeduren nehmen wir schmunzelnd zur Kenntnis, sie werden langsam zur Routine.

Wir starten fast pünktlich in Paro in einem Airbus A 319 der Royal Bhutan Airlines. Nachdem wir die Wolkendecke durchbrochen haben, begeistert uns der Blick auf die Berge des Himalaya. Wir fliegen vorbei an Annapurna, Manasulu, Cho Oyu, Mt. Everest, Lhotse, Makalu und Kangchenjunga, allesamt 8000er, die zusammen das sogenannte Dach der Welt bilden. Einfach großartig und unvergesslich.

Was wir nicht erwarten ist eine derartig spektakuläre Landung: 

Während man es von Europa gewöhnt ist, dass die Landung eine lange schiefe Ebene ist, umkurvt unser Flieger je tiefer er sinkt in scheinbar greifbarer Nähe mehrere Berge und Hügel, um schließlich aus einer letzten Kurve kommend gerade noch auf der Landebahn in Paro sanft zu landen. Paro International Airport ist einer der schwierigsten anzufliegenden Airports der Welt.

Als wir ausgestiegen sind, erleben wir den puren Kontrast zu Kathmandu: Es ist fast gespenstisch still, alles wirkt enorm friedlich, das Flughafengebäude ist fast beschaulich, extrem sauber und bunt bemalt. Jeder hier scheint genau zu wissen für was er verantwortlich ist und was er zu tun hat!

Ein Bild des Königspaares begrüßt alle Ankommenden, wir werden nach Passkontrolle und Gepäckabholung vor dem Gebäude von Nima, unserem englischsprachigen Guide begrüßt und zum Auto geführt. Dort erwartet uns unser Fahrer Gyem Dorji, der uns auch die nächsten Tage begleiten wird... 

Die beiden sind freundlich aber wirken beide höflich distanziert. Das erste, was mir in unserem Jeep auffällt, ist die kleine Penisfigur, die am Rückspiegel baumelt. Penisdarstellungen gelten hier nicht als obszön, sondern sind ein Zeichen der Fruchtbarkeit, sind Glücksbringer und überall im Land zu sehen.

Wir fahren in wenigen Minuten in die beschauliche aber großräumig angelegte Kleinstadt Paro. Wir sind begeistert! Es ist vergleichsweise sauber, angenehm ruhig, die Häuser im traditionellen Stil buthanischer Häuser gebaut. Wir sehen Einkaufsläden, Restaurants, es fahren nur wenige Fahrzeuge.

In einem Restaurant nehmen wir unser Mittagessen ein und sofort hat es uns die buthanische Küche angetan. Wir dürfen uns die Mahlzeit selbst zusammenstellen und schöpfen sie Portionen am Buffet aus großen metallenen Gefäßen. Es mundet köstlich.

Nach dem Mittagessen schauen wir uns den Paro Dzong an, ein beeindruckender massiver fast quadratischer Festungsbau. Im Innern gibt es ein Kloster. Auch die Regionalregierung hat hier ihren Sitz. Alle sichtbaren Holzteile sind kunstvoll geschnitzt und häufig bunt bemalt. Im Eingangsbereich gibt es Bilder, die von Göttern und ihren Verheißungen berichten. Es geht alles ruhig und gemächlich von statten. Wir schlendern durch die Anlage, begegnen Mönchen in ihren typischen dunkelroten Gewändern und staunen: Fast jedes Menschenalter ist vertreten - Vom Kind bis zum Greis.

Wir dürfen den Gebetsraum der Mönche barfuß betreten und staunen: Alles ist sehr bunt, farbig und bunten Tüchern geschmückt - alles sehr beeindruckend.

Anschließend fahren wir langsam  - nie schneller als 50 km/h  - zu unserem Tagesziel Thimphu. In ganz Bhutan gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h, was den Straßenverkehr angenehm beschaulich macht. Man staune: Im ganzen Land, selbst in der Hauptstadt Thimphu gibt es keine Ampel!

Das nenne ich mal Fortschritt! Die Fahrt führt über Land ins nur 53 km entfernte Thimphu. Die Fahrt dauert fast anderthalb Stunden!

Ich weiß nicht, ob ich mich an den entspannten, untertourigen Fahrstil gewöhnen könnte. Die Gänge 5 und 6 werden von unserem Fahrer - obwohl die Straßen gut ausgebaut und geteert sind - nicht gebraucht...

In Thimphu schauen wir uns zunächst eine Bogenschießanlage an. Dort gehen 10 Männer in traditionellen Gewändern ihrem Nationalsport nach. Sie zielen mit den aus Bambusholz hergestellten Bögen auf ein über hundert Meter entfernt liegendes Ziel. Ich bin beeindruckt!

Anschließend besuchen wir eine Markthalle. Hier verkauft die bäuerliche Bevölkerung ihre Ware. Wir sehen auf verschiedenen Ebenen hunderte Marktstände, die allerlei Gemüse, Obst, Gewürze und Dinge des täglichen Lebens zum Kauf anbieten. Auch hier geht alles sehr zivilisiert zu, wir werden nicht einmal bedrängt, etwas zu kaufen, es gibt keine Marktschreier und wir schauen uns unter der Führung von Nima die verschiedenen Auslagen genau an. Was für ein Genuss! Übrigens: Bhutan produziert sämtliche Lebensmittel ökologisch: Es gibt nur biologischen Landbau! Chemische Dünge- und Spritzpistole sind komplett untersagt! Einfach genial!

Wir fahren schließlich, vom Bummeln über den Markt beseelt zum Hotel und betreten ein geräumiges holzvertäfeltes Zimmer, dass Seinesgleichen sucht! Die Wände sind, wenn nicht vertäfelt, mit Gemälden verziert. Ein Traum. Ein geräumiges Bad schließt sich an.

Zum Abendessen im Aufenthaltsraum gibt es verschiedene Platten mit Gemüse, Kartoffeln und Reis - das Abendessen ist ein Gedicht und wir wünschen uns beide, der Köchin morgen über die Schulter schauen zu dürfen...

Als wir erschöpft ins Bett fallen und die Straßenhunde auch hier ihr nächtliches Konzert geben, fällt mir die Geschichte wieder ein, die Nima am Nachmittag erzählt hat: Er bezeichnete die Hunde als „Solar-Dogs“ und erklärt schmunzelnd: Die Straßenhunde, von denen es hier, wie in Nepal viele gibt, liegen stundenlang faul in der Sonne und tanken Energie, die sie abends und nachts in Form von Bellen und Jaulen loswerden...

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