Nach einer kalten Nacht in unserem kleinen Verschlag, die Fensterscheiben sind mit Tautropfen beschlagen und die Klamotten klamm, quälen wir uns aus unseren warmen Schlafsäcken. Lea nutzt zusätzlich die bereitgestellten Decken, die je höher wir kommen immer dicker werden. Wir sind froh unsere Schlafsäcke dabei zu haben, erstens weil sie uns eine vertraute Wärme geben und zweitens, weil die Betten, einfache Holzpritschen mit Schaumstoffmatrazen, und ihre Laken nicht den frischesten Eindruck vermitteln.
Nach dem Frühstück starten wir heute gemeinsam mit unseren Freunden. Vor uns liegen 600m Abstieg und 800m Aufstieg, alles in allem knapp 10 km.
Der Morgen ist sonnig und wir genießen vor dem Abstieg nochmal den Ausblick auf die prächtigen schneebedeckten Berge der Umgebung, den Annapurna-Südgipfel , den Machupuchare und die vorgelagerten „Hügel“.
Der Abstieg führt durch nicht endend wollenden Rhododendrenwälder, ich unterhalte mich und habe den Weg am Abend daher nicht mehr so präsent, wie in den letzten Tagen.
Da wir uns auf einer der beliebtesten Trekkingrouten Nepals befinden, kommen uns immer wieder andere Wanderer und ihre einheimischen Begleiter entgegen. Neben dem eigenen zunehmend unangenehmer werdenden Schweißgeruch schnappen unsere Nasen immer wieder fremdartige Düfte auf, mal etwas strenger, mal fremdartig und unbekannt ..
Wir rasten zum Mittagessen noch unterhalb des Deurelipasses bei einem „Restaurant“ und genießen mal wieder hausgemachte Frühlingsrollen mit den wunderbaren Kartoffelstreifen.
Nach dem Mittagessen setzen wir den Aufstieg auf den bisher schönsten Wegen fort. Der Weg führt vorbei an Wasserfällen durch die immer älter werdenden Rhododendrenwälder. Zeitweise waten wir durch ein knöchelhohes Gemisch aus kirschgroßen Hagelkörnern, vermischt mit Rhododendrenblättern und Blüten. Hier haben die Stürme der letzten Tage ganze Arbeit geleistet! Ein Großer Teil der Blütern liegt zertrümmert am Boden. Nur vereinzelt sehen wir noch blühende Bäume, die dem Unbill des Wetters trotzten.
Bei den langen Anstiegen verstummen die Gespräche immer wieder - wir lauschen auf das eigene Schnaufen und das Schnaufen der anderen. Gefühlt wird die Luft hier oben bei mittlerweile über 3000m dünner - eigentlich dürfte ich das gar nicht wahrnehmen, vielleicht bilde ich es mir also nur ein.
Ramchandra zeigt uns einen Strauch mit kleine rosa Blüten. Er erklärt, dass aus dessen Rinde Papier geschöpft wird, dass als Kunstpapier überall im Land verkauft wird...
Mächtige Tannen, die vermutlich tausend Jahre wechselvolle Geschichte erlebt haben, bestaunen wir ehrfürchtig. Zu meinem Erstaunen finden sich auch Birken in dieser Höhe. Immer wieder öffnet sich der Wald und gibt den Blick auf die umliegenden schneebedeckten Riesen frei.
Plötzlich entdecken wir auf einem Waldfreien Gegenhang eine Herde Tiere. Zum Glück habe ich mein Fernglas dabei und im richtigen Rucksack, so dass wir die Herde als Yaks identifizieren können.
Nachdem wir den Deuralipass mit über 3200m erreicht haben führt der Weg uns ca. eine Stunde abwärts zur Passhöhe von Ghorepani. Diese letzte Stunde begleitet uns Donnergrollen. Und dieser Donner hört sich hier mächtiger und unheilvoller an als in der fernen Heimat. Vielleicht liegt es daran, dass wir uns auf dem Dach der Welt befinden oder es hat den rein physikalischen Grund, dass der Schall sich in den mächtigen Tälern einfach besser fängt.
Ich treibe unsere Gruppe zur Eile an und schicke Stoßgebete gen Himmel - habe ich doch am Morgen gedankenlos sowohl Regenschirm als auch Regenjacke in meinem anderen Rucksack gepackt und der ist mit unserem Träger bereits sicher und trocken in Ghorepani angekommen. Ich Hornochse habe mich vom morgendlichen Sonnenschein täuschen lassen...
Wir eilen also begleitet vom Donner und einzelnen Tropfen - Vorboten des aufziehenden Gewitters - bergab. Kurz halte ich inne, als wir auf eine Gruppe Männer stoßen, die mit einfachen Hämmern bewaffnet in einem Steinbruch Steinplatten herausarbeiten. Die Platten werden zum Bau von Dächern oder als Stufen gebraucht. Ich bin fasziniert und schockiert über dieser harte körperliche Arbeit zugleich.
Wir erreichen trockenen Fußes unsere Lodge, ein mehrstöckiges Gebäude in Ghorepani. Kaum haben wir unser Zimmer betreten, wo unsere Rucksäcke schon warten, bricht draußen ein Unwetter los. Hagel peitscht auf die Dächer und nach kurzer Zeit ist der Boden weiß.
Wir genießen eine warme Dusche, denn ein Gasboiler erzeugt hier im Bad im Nebenzimmer, warmes Wasser. Welch ein Luxus!
Nach dem Abendessen und einer kurzen Stippvisite in der Nachbarlodge bei unseren Freunden gehen wir heute früh zu Bett.
Es ist richtig kalt, ein eisiger Wind bläst über die Passhöhe, die einfachen Fenster halten dem Wind nicht stand und auch ein bunter Vorhang kann nichts daran ändern, das der Wind ins Zimmer bläst. Wir liegen mit Mütze und Fleecepulli im Schlafsack. Ohne die zusätzliche dicke Bettdecke möchte ich heute Nacht hier nicht liegen... Ich muss an die Strapazen der echten Bergsteiger denken, die sich in die höchsten Höhen wagen und beschließe meinem bisher schon fehlenden Reiz danach nichts entgegenzusetzen.
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